Lange habe ich darüber nachgedacht, ob ich hier meine wahren Gefühle preisgeben soll oder lieber nicht. So öffentlich, so angreifbar. Aber es nicht zu tun wäre ein bisschen so, als würde ich mich selbst anlügen und aus dem Alter bin ich raus.
Gestern haben wir erfahren, dass das kleine Baby-Wunder unter meinem Herzen ein Junge ist. Ein ganz sicher wunderschöner, bezaubernder, perfekter kleiner Junge. Beim Ultraschall war alles in Ordnung, zuerst hat das Baby geschlafen und uns dann gezeigt, wie schön es schon strampeln und boxen kann. Plötzlich sagte die Ärztin, dass man auch schon das Geschlecht erkennen könnte und da wusste ich natürlich sofort, dass es nur ein Junge sein kann. Bei 10+0 ist ganz sicher noch kein Mädchen erkennbar. Sie veränderte die Perspektive noch ein wenig und man konnte es ganz klar erkennen. Darauf war ich gestern wirklich nicht gefasst. Darauf, dass zu einem so frühen Zeitpunkt in der Schwangerschaft überhaupt zu erfahren. Ich bin traurig.
Gestern habe ich eigentlich den ganzen Tag nur geweint. Bei der Ärztin konnte ich mich gerade noch zusammen reißen, aber als ich draußen war, brachen alle Dämme. Mit Unterbrechungen natürlich, denn die Jungs sollten davon nichts merken. Während sie aber spielten und tobten und alles auf den Kopf stellten, schluchzte ich leise vor mich hin. Ich kann das gut, dieses schauspielern. Einigen wenigen vertrauten Menschen habe ich davon erzählt. Denen von denen ich wusste, dass sie mich verstehen und sich die "blöden" Kommentare sparen würden. Davon kommen ganz sicher noch so einige, aber die verkrafte ich gerade noch nicht.
Als ich letzte Woche meine Gedanken zum Thema Geschlecht hier nieder geschrieben habe, ahnte ich schon, dass das Outing meine wahren Gefühle ans Licht bringen würde und genauso war es auch. Nur das es so schnell gehen würde, habe ich nicht gedacht. Ich habe mir eingeredet, dass das nicht so wichtig ist und das es vielleicht sogar besser wäre, wenn es noch ein Junge würde, aber ich habe mir wohl doch mehr eine Tochter gewünscht, als ich es mir selbst eingestehen wollte. Jetzt weiß ich, dass ich niemals eine haben werde. Ich werde niemals mein Mädchen an der Hand halten, niemals ein Mutter-Tochter-Gespräch führen, nicht genau wissen was sie fühlt, wenn sie den ersten Liebeskummer erlebt, nicht mit meiner Tochter ihr Hochzeitskleid aussuchen und nicht mit ihr das Wunder des Lebens bestaunen, wenn sie ein Kind bekommt.
Ich bin einfach nur unglaublich traurig. Und maßlos enttäuscht. Und vielleicht auch ein bisschen wütend.
Und ich schäme mich. Ich habe zwei gesunde, großartige Kinder. Ich trage das dritte Wunschkind in mir, das gesund zu sein scheint. Ich bin dreimal völlig problemlos schwanger geworden. Niemals hatte ich in der Schwangerschaft irgendwelche Beschwerden. Ich bin jedes Gramm Babyspeck wieder los geworden. Ich hatte zwei perfekte, selbstbestimmte Geburten im Geburtshaus und werde ganz sicher auch eine dritte solche erleben dürfen. Meine Babys waren bezaubernd, wunderschön und unkompliziert. Dieses kleine Menschlein in meinem Bauch sollte doch von mir schon jetzt bedingungslos geliebt werden und stattdessen sitze hier in Tränen und frage mich, ob ich darüber hinweg kommen werde.
Natürlich werde ich das. Das weiß ich im Grund schon jetzt. Ganz sicher wird es immer irgendwie zwicken, wenn mich jemand fragt, ob ich mir nicht auch eine Tochter gewünscht habe. Ganz sicher, werde ich mich zwischendurch mal fragen, wie es wohl jetzt wäre mit einer Tochter. Wie sie wohl aussehen und sein würde. Wie mein Mann wohl zu seinem Mädchen wäre. Aber ich werde darüber hinweg kommen und einfach nur stolz sein auf meine Jungs. Meine drei Jungs.
Aber gerade fühle ich das noch nicht und ich muss erstmal trauern, den Schmerz zulassen und versuchen, nicht allzu hart zu mir selbst zu sein. Meine Gefühle kann ich sowieso nicht unterdrücken und wenn ich es versuche, kann das nur nach hinten los gehen. Also warte ich.
Trotzdem liebe ich dich, Baby-Junge und ganz ganz bald freue ich mich auch wieder nur auf dich und diese bezaubernde Zeit, die da vor uns liegt. Und ich schwöre dir, ich werde dich niemals im Leben etwas von meinen jetzigen Gefühlen spüren lassen.
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