Ich überlegte hin und her, wie ich darauf antworten soll. Leicht provokativ mit "Warum denn nicht?", mich mit langen Sätzen erklärend oder ganz salopp und humorvoll. Dann wurde mir klar, dass ich die Frage negativ bzw. als Angriff aufgefasst hatte, völlig ohne zu wissen, wie sie gemeint war. In mir regte sich das schlechte Gewissen gegenüber meinem Kind und ich projizierte genau das in die Frage hinein, die ich mir selbst auch schon oft gestellt hatte.
Vielleicht erkläre ich mich mal kurz: Als mein Großer ein Jahr alt wurde fing ich wieder an zu arbeiten und er ging zur Tagesmutter. Völlig problemlos und bis heute gerne. Ein halbes Jahr später wurde dann der Kleine geboren und wir ließen den Großen weiterhin bei der Tagesmutter, zum Einen weil es mir Anfangs zuviel war mit Baby und Kleinkind alleine Zuhause, aber Hauptsächlich, damit ich auch mit dem zweiten Kind etwas unternehmen konnte (PEKIP, Mutti-Treffen etc.) und Exklusivzeit nur mit ihm hatte. Schließlich läuft der Kleine oft genug "so mit", denn der Große benötigt im Moment noch mehr Aufmerksamkeit, als das Baby. Außerdem bin ich zwar gerne Mutter, aber ich bin auch froh, wenn ich mich mal nur um ein Kind kümmern muss oder das Baby schläft und ich tatsächlich auch mal etwas Zeit für mich habe.
Wir haben da eine bewusste Entscheidung getroffen und ich würde es auch immer wieder so machen. Ich bin sehr glücklich, dass ich meinem zweiten Baby zumindest zeitweise dieselbe Aufmerksamkeit schenken kann, wie meinem ersten Kind damals. Und doch ist das schlechte Gewissen dem Großen gegenüber mein ständiger Begleiter. Und ich bin sicher, dass ich damit nicht allein bin und dass es fast allen Mamas so geht, auch denen, die wieder Arbeiten gehen und damit überhaupt keinen Grund für ein schlechtes Gewissen haben.
Und bei der Fremdbetreuung hört es ja nicht auf. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich irgendwo wieder was lese. Zum Beispiel die Empfehlung mit vier Monaten gewisse Lebensmittel anzubieten um das Allergierisiko zu minimieren. Weil ich aber später angefangen habe, überlege ich, ob ich das nicht anders hätte machen sollen. Oder doch lieber sechs Monate voll Stillen? Dann lese ich, dass man das Kind nicht schreien lassen soll - bin ich Verzweiflung, Übermüdung und Überforderung mal nicht sofort gesprungen, als das Baby weinte, frage ich mich, ob mein Kind nun wohl eine langfristige Bindungsstörung hat. Dann lesen ich etwas davon, dass man nicht zu schnell Eingreifen soll, wenn Kinder Konflikte mit anderen Kindern haben und überlege, ob ich den Großen jetzt schon versaut habe, weil ich ihm öfter mal zur Seite gestanden habe. Dann lese ich in einem anderen Blog, warum man Kinder nicht zu viel loben soll und schon mache ich mir auch hierüber einen Kopf.
Diese Impulse sind ja alle gut und richtig und es geht ja auch nicht darum, dass man nichts dazu lernen oder Dinge hinterfragen kann, es nervt mich nur, dass ich ständig auch an die Vergangenheit denke und mich frage, ob ich es nicht hätte anders machen können. Zumal diese Frage ja total idiotisch ist, denn ich kann ohnehin nicht in die Vergangenheit reisen um von vorne an zu fangen und das ist auch gut so. Schließlich machen unsere Erfahrungen und (vermeintlichen) Fehler uns ja auch zu dem was wir sind.
Mit der Geburt des zweiten Kindes bin ich auch wesentlich Entspannter geworden und ich weiß, dass vieles, bei dem man hin und her überlegt letztlich gar keinen Einfluss auf die Entwicklung und das Gedeihen des Kindes hat. Aber das schlechte Gewissen schwingt immer mit. Das hat natürlich auch mit der riesigen Verantwortung zu tun, die mit der Geburt des Kindes gleich mitgeliefert wird und dem Gefühl, alles richtig machen zu wollen, aber auch mit meiner selbstkritischen und ständig hinterfragenden Art.
Anderen Frauen geht es sicherlich genauso und ich sage ganz konkret Frauen, denn die Vätern die ich kenne, sehen die Dinge oft wesentlich pragmatischer, allen voran mein Mann. Und eigentlich ist das auch die wesentlich gesündere Einstellung.
Manchmal ist weniger mehr und so halte ich mich in Zukunft vielleicht einfach an den Rat des Neurowissenschaftlers Steven Petersen:
"Ziehen Sie Ihr Kind nicht in einem Schrank auf, lassen Sie es nicht verhungern und schlagen Sie es nicht mit einer Bratpfanne auf den Kopf."
Ich denke dass krieg ich hin.
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